Das Widerspruchsverfahren
Bei der Regierung von Oberbayern bekommen Sie Rechtsschutz gegen bestimmte Entscheidungen von Ausgangsbehörden in Form des sogenannten Widerspruchsverfahrens.
Bedeutung des Widerspruchsverfahrens
Das Widerspruchsverfahren ist in der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 68 ff.) geregelt. Es dient dazu, verbindliche Einzelfallentscheidungen der Verwaltungsbehörden (sog. Verwaltungsakte), mit denen die Betroffenen nicht einverstanden sind, noch einmal verwaltungsintern zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben oder zu ändern.
In welchen Fällen können Sie Widerspruch einlegen?
Widerspruch ist möglich, wenn Sie einen Verwaltungsakt (die gesetzliche Definition des Begriffes finden Sie in Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG)
- beseitigt oder zumindest zu Ihren Gunsten geändert haben wollen (sog. Anfechtungswiderspruch) oder
- eine Behörde veranlassen wollen, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, dessen Erlass sie abgelehnt hat (sog. Verpflichtungswiderspruch)
- und das Widerspruchsverfahren für Ihren Fall nicht gesetzlich ausgeschlossen ist.
Zum 01.07.2007 wurde das Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte bayerischer Behörden weitgehend abgeschafft. In den Rechtsbereichen Kommunalabgabenrecht, Landwirtschaftsrecht, Schulrecht, in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten, in Angelegenheiten der Beamten und bei personenbezogenen Prüfungsentscheidungen wurde ein fakultatives Widerspruchsverfahren eingeführt. Damit wird bei solchen Entscheidungen eine Wahlmöglichkeit eröffnet zwischen einer Widerspruchseinlegung und der unmittelbaren Klageerhebung zum Verwaltungsgericht.
Gegen einen Widerspruchsbescheid, der erstmalig in Rechte eingreift, kann nicht noch einmal ein Widerspruchsverfahren angestrengt werden. Hier kann nur sofort Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden.
Aber: Nicht jeder Widerspruch führt auch zum Erfolg!
Weil ein erfolgloser Widerspruch genauso wie eine verlorene Klage für Sie mit Kosten verbunden sein kann (siehe unten), sollten Sie sich die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes in jedem Fall vorher gut überlegen und im Zweifel auch fachkundigen Rat einholen. Hier einige wesentliche Punkte, die Sie zu bedenken haben:
- Voraussetzung für einen sog. Anfechtungswiderspruch ist zum einen, dass eine verbindliche behördliche Einzelfallentscheidung (Verwaltungsakt) vorliegt (s.o.). Gegen sonstiges behördliches Handeln ist der Widerspruch als Rechtsbehelf nicht möglich, er wäre als „unzulässig“ zurückzuweisen.
- Damit der Widerspruch überhaupt zur sachlichen Entscheidung angenommen wird, müssen Sie zum anderen nachvollziehbar darlegen, dass der Verwaltungsakt Sie möglicherweise in eigenen Rechten verletzen kann. Die Juristen sprechen hier von der „Widerspruchsbefugnis“. Fehlt diese, so wird der Widerspruch bereits als „unzulässig“ zurückgewiesen.
- Ist Ihr Widerspruch zulässig, dann hat er in der Sache Erfolg, wenn die Überprüfung ergibt, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und Sie tatsächlich in Ihren Rechten verletzt. Selbst bei Rechtswidrigkeit einer Entscheidung kann also ein Widerspruch erfolglos bleiben, wenn keine Ihrer individuellen Rechte verletzt werden.
- Voraussetzung für einen sog. Verpflichtungswiderspruch (s.o.) ist, dass die Behörde Ihren Antrag einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen abgelehnt hat und Sie nachvollziehbar darlegen, dass Sie auf den Erlass dieses Verwaltungsakts möglicherweise einen Rechtsanspruch haben.
- In der Sache hat Ihr Verpflichtungswiderspruch dann Erfolg, wenn sich ergibt, dass Sie einen Rechtsanspruch auf den Erlass des von Ihnen gewünschten Verwaltungsaktes haben.
Wenn sich bei der Prüfung eines Widerspruches herausstellt, dass er keine Aussicht auf Erfolg hat, so berät die Regierung von Oberbayern den Widerspruchsführer in aller Regel vor einer Zurückweisung und legt diesem die Rücknahme des Widerspruchs nahe, es sei denn, dass besondere Umstände gegeben sind, wie z.B. besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung. Durch die Rücknahme ergeben sich für Sie geringere Kosten (zu den Kosten siehe untenstehenden Punkt „Kosten des Widerspruchs“).
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Der Widerspruch wird nur dann zur Entscheidung in der Sache angenommen („ist zulässig“), wenn er die entsprechende Form beachtet und innerhalb der Widerspruchsfrist bei der richtigen Behörde eingeht. Bitte beachten Sie dabei die Rechtsbehelfsbelehrung des Verwaltungsaktes, gegen den Sie sich wenden wollen.
Form:
- Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen, wobei ein Telefax genügt; Darüber hinaus besteht die Möglichkeit den Widerspruch elektronisch unter der E-Mail-Adresse poststelle@reg-ob.bayern.de einzureichen, sofern dieser mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. An diese E-Mail-Adresse können auch E-Mails mit qualifizierter elektronischer Signatur gerichtet werden. Nähere Informationen finden Sie hier.
- Eine elektronische Widerspruchseinlegung ohne qualifizierte elektronische Signatur ist unzulässig.
Nähere Informationen zum Elektronischen Rechtsverkehr finden Sie hier.
Frist:
- Grundsätzlich ist der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an Sie zu erheben.
- Fehlt eine Rechtsbehelfsbelehrung oder ist sie unrichtig, so haben Sie nach der Bekanntgabe des Verwaltungsakts ein Jahr Zeit zur Einlegung des Widerspruchs.
- Auch ohne Bekanntgabe des Verwaltungsakts an Sie haben Sie aber nicht unbegrenzt die Möglichkeit, gegen die Entscheidung vorzugehen. Wenn Sie aufgrund anderer Umstände als der Bekanntgabe wussten oder erkennen konnten, dass ein Verwaltungsakt ergangen ist, sollten Sie innerhalb eines Jahres dagegen vorgehen, da Sie ihr Widerspruchsrecht sonst verwirken, wenn Sie den Anschein erwecken, Sie würden die Entscheidung „widerspruchslos“ hinnehmen.
- Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie die Widerspruchsfrist ohne eigenes Verschulden versäumt haben, so können Sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Hierfür sowie für die Einlegung des Widerspruchs haben Sie nach Wegfall des Grundes, der Sie am Widerspruch gehindert hat, zwei Wochen Zeit (sinnvollerweise stellen Sie also den Antrag zusammen mit der Erhebung des Widerspruchs). Freilich müssen Sie die Tatsachen, auf die Sie sich stützen wollen, glaubhaft machen können, etwa durch eidesstattliche Versicherung oder Zeugen.
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Behörde, bei der der Widerspruch einzulegen ist:
- Der Widerspruch ist bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat (sog. Ausgangsbehörde).
- Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die über den Widerspruch zu entscheiden hat (Widerspruchsbehörde), in der Regel die nächsthöhere Behörde (z.B.: Landratsamt – Regierung von Oberbayern), gewahrt.
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Die Kosten im Widerspruchsverfahren trägt derjenige, der unterliegt. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, ist das also derjenige, der den Widerspruch eingelegt hat, im Erfolgsfall hingegen der Träger der Ausgangsbehörde (bei kommunalen Behörden die jeweilige Stadt / Gemeinde, bei staatlichen Behörden der Staat).
Die Gebühr beträgt bei einem erfolglosen Widerspruch in der Regel das 1½-fache der Gebühr, die Sie für den angefochtenen Verwaltungsakt entrichten müssen. Daneben müssen Sie die behördlichen Auslagen tragen (z.B. Postgebühren, Kosten für Beweiserhebungen und Gutachten).
Widersprüche im Bereich des Sozialrechts sind nach § 64 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X kostenfrei.
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Grundsätzlich führt der Widerspruch dazu, dass der betreffende Verwaltungsakt bis zu einer Entscheidung nicht „vollzogen“ werden kann (sog. aufschiebende Wirkung oder Suspensiveffekt).
Aber Achtung: Bei Verwaltungsakten, mit denen die Zahlung öffentlicher Abgaben und Kosten gefordert wird (z.B. Beitragsbescheide), hat der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen; wenn Sie wegen Ihres Widerspruches also hier nicht zahlen, riskieren Sie Säumniszuschläge und Vollstreckungsmaßnahmen!
Die Behörde kann bei besonders dringenden Fällen die aufschiebende Wirkung durch Anordnung des Sofortvollzuges ausschließen. Dann muss der Verwaltungsakt unverzüglich befolgt werden.
In beiden Fällen (gesetzlich ausgeschlossene aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und von einer Behörde angeordneter Sofortvollzug) können Betroffene mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Ausgangsbehörde bzw. Widerspruchsbehörde erreichen, dass der Regelfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (wieder) hergestellt wird.